Dolores / Dr. Harriet Zilch

Stets hinterfragen die Salz- und Pfeffermühlen von Isabelle Enders vertraute Seh- und Nutzungsgewohn-heiten und bewegen sich klug zwischen dinglicher Gestalt und gedanklichem Gehalt. Auch die aktuelle Werkgruppe der Pfeffer- und Salzmühlen DOLORES, die unter Verwendung eines 3 D-Druckers entsteht, nimmt einer alltäglichen Handlung ihre Selbstverständlich-keit.

Für die Produktion der Mühlen wurde ein Druckauftrag programmiert, der für jedes Exemplar identisch Anwendung findet. Jedoch greift Isabelle Enders in den automatisierten Druckvorgang ein: Der Prozess wird gestört und die immer gleiche Ausführung konter-kariert. Abbruch und Neustart des Produktionsablaufs führen zu Veränderungen in der Struktur der Mühlen. Vielfarbigkeit und malerische Anmutung resultieren hingegen aus dem wiederholten Wechsel der Filamente. Durch diese mannigfaltigen Eingriffe wird jedes Werkstück zu einem nicht reproduzierbaren Unikat und erzählt von seinem nahezu organisch erscheinenden Wachstum. Den programmierten und damit planbaren Entstehungsprozess der Salz- und Pfeffermühlen führt Isabelle Enders ad absurdum: Die computergesteuerte Reproduzierbarkeit verkehrt sich in ein individuali-siertes und zeitaufwendiges Fertigungsverfahren, welches eher dem künstlerischen Prozess der Formfindung ähnelt. Dabei stehen die produktiven Störungen im konzeptuellen Mittelpunkt: Jedes Exemplar erhält durch Isabelle Enders‘ Eingriffe eine persönliche Biografie, aber jede Unterbrechung des Druckvorgangs birgt das Risiko einer anschließenden Dysfunktionalität des Objekts. Zwar werden kleine Verschiebungen und haptische Unregelmäßigkeiten auf der Außenhaut als Bereicherung empfunden, jedoch ist Ausmaß und Richtung des Versatzes in letzter Kon-sequenz nicht planbar. Ebenso ist eine spätere Korrektur, eine Überarbeitung des Druckergebnisses, produktionsbedingt nicht möglich. So steht die Werkgruppe DOLORES auch für die Erforschung der Dialektik von Intuition und Intellekt, Spontaneität und Planung, Zufall und Intention.

Der Vorname Dolores, der den Salz- und Pfeffermühlen Persönlichkeit verleiht, spielt auf die Analogie zwischen den Begriffen „dolour" (Schmerz) und „colour" (Farbe) an. Tatsächlich ist die Farbe unbestrittener Protagonist der Mühlen, die als drei-dimensionale Malerei oder auch als ein verbildlichtes Objekt erscheinen. Mit parallel verlaufenden Farb-bändern lassen einige Exemplare an die Tradition der Farbfeldmalerei und Gemälde von zum Beispiel Gene Davis denken. Andere Varianten erinnern mit ihrem diffusen Farbverlauf an den malerischen Unschärfe-moment, der entsteht, wenn noch feuchte Farbe ver-wischt wird. Doch nicht immer bauen sich die Mühlen durch eine parallele Farbanordnung auf: Durch eine Schrägstellung des Druckobjekts ist auch ein diagonaler Verlauf möglich, der zusätzliche Variationen und Muster erlaubt.

Die produktionsbedingt stehenbleibenden Kunststoff-fäden erwecken bisweilen den Eindruck, die Mühlen seien gewebt. Auch diese Assoziation mit einem traditionellen Textilhandwerk steht in bewusstem Widerspruch zu dem tatsächlichen Produktionsprozess. Konzeptuell wie visuell bewegt sich DOLORES somit an der Schnittstelle zwischen tradiertem, analogem Handwerk und automatisierter, computergesteuerter Herstellung. Dabei verbindet auch die Rolle von Isabelle Enders Gegensätzliches: Zwar ist das Druck-ergebnis durch ihre Eingriffe bestimmt, jedoch lässt sich die Zusammenarbeit mit dem 3 D-Drucker durchaus als „partnerschaftlich“ bezeichnen: Mensch und Maschine scheinen eine emanzipierte und sich gegenseitig bereichernde Beziehung zu führen. Die gestalterischen Entscheidungen trifft der Mensch, aber deren Umsetzung wird der Maschine überlassen, und diese kann während des Produktionsablaufs durchaus ein Eigenleben entwickeln. Das Risiko des Scheiterns ist stets gegeben, aber im Idealfall resultiert aus der Kooperation ein überraschendes Werkstück, dessen visuelle Qualität gerade auf der Nichtexistenz absoluter Planbarkeit basiert. So verbindet DOLORES in vielerlei Hinsicht vermeintliche Gegensätze und wird auch selbst zu einem hybriden Objekt zwischen Gebrauchsgegenstand, Malerei und Skulptur.

 

 

Isabelle Enders’ salt and pepper mills constantly question familiar ways of looking at and using things, and skilfully combine tangible form with intangible content. The current DOLORES series of salt and pepper mills, created with the help of a 3D printer, remove the self-evidence from an everyday action. 

A print job was programmed to produce the mills, to be applied identically for each model. However, Isabelle Enders intervenes in the automated printing process, interrupting it and thwarting the repetitive sameness of execution. Breaking off and restarting the production process creates changes in the structure of the mills, while multiple colours and a painterly look result from the repeated change of filaments. These multifarious interventions make each piece unique and irreproducible, revealing growth almost organic in appearance. Isabelle Enders makes a nonsense of the programmed and thus predictable creation process of the salt and pepper mills: The computer-controlled reproducibility becomes part of a personalised and time-consuming production method, which is more akin to the creative process of form-finding. The conceptual idea focuses on the interruptions: Isabelle Enders´  interventions build up each piece’s personal biography; yet at the same time, by interrupting the printing process, there is a risk that the object will be dysfunctional in the end. Although minor displacements and surface irregularities are regarded as enhancements, ultimately the extent and direction of the displacement is unpredictable. At the same time, the very nature of production precludes correction or reworking of the printed piece at a later date. The DOLORES series thus also explores the dialectic of intuition and intellect, spontaneity and planning, chance and intention.

The name Dolores, which gives the salt and pepper mills a personality, plays on the analogy between the terms “dolour” and “colour”. And indeed, colour is the unrivalled protagonist of the mills, which strike us as three-dimensional paintings or visualised objects. The coloured rings on some of the models recall the tradition of colour-field paining and painting by Gene Davis. With their diffuse colours, other pieces recall a moment of soft focus as still damp paint is blurred. Yet the layers of colour are not always built up symmetrically: tilting the print object creates a diagonal run of colour, giving rise to further variations and patterns. 

Halted by the production stops, the artificial filaments occasionally make the mills look as if they were woven. These associations with traditional textile crafting are evoked as an intentional contradiction to the actual production process. So DOLORES is both conceptually and visually at the interface between traditional analogue handcrafting and automated, computer-controlled manufacture. Isabelle Enders´ role also combines opposites: while the printed product is determined by her interventions, the interaction with the 3D printer can readily be described as partner-like: human and machine seem to engage in an emancipated, mutually enriching relationship. The creative decisions are human, while their execution is left to the machine, which during production may well develop a certain independence of action. Though the risk of failure is omnipresent, ideally the cooperation will produce a surprising piece, whose visual quality hinges precisely on the non-existence of absolute predictability. In many respects DOLORES thus combines perceived opposites, and itself becomes a hybrid object blending utility, painting and sculpture.